Nach blutiger Attacke in Hanau sofort geholfen: Lob für junge Helden vor dem Landgericht

2022-05-28 04:37:30 By : Ms. Liu Cici

Acht Jahre nach dem Verbrechen kommt es vor dem Hanauer Schwurgericht zu rührenden Szenen. Das Opfer, damals 25 Jahre alt, ist brutal niedergeschlagen worden - ein versuchter Mord, für den sich ein 33-Jähriger nun verantworten muss. Nun trifft die Frau auf ihre beiden Retter. Sie waren 2013 gerade mal 15 Jahre alt. Und heute bekommen sie öffentliches Lob für ihr heldenhaftes Eingreifen.

Hanau – Als das unbegreifliche Verbrechen am Kesselstädter Mainufer geschieht, sind Leon und Levin 15 Jahre alt. An diesem Abend, dem 13. September 2013, sind sie gemeinsam auf einem Konzert im Amphitheater. Irgendeine Coverband spielt. Die beiden sind enttäuscht. „Das war nicht so gut, deshalb sind wir früher gegangen“, sagt Leon, inzwischen Student (23), der nun auf dem Zeugenstuhl des Schwurgerichtssaals sitzt und Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel Rede und Antwort steht. „Und wie ging es weiter?“, will die Vorsitzende Richterin wissen. „Wir sind dann durch den Park, haben uns auf eine Bank gesetzt und unterhalten.“ Über was? „Na ja, über was sich 15-Jährige so unterhalten“, meint Leon. Grinsen auf der Richterbank.

Doch was dann geschieht, werden beide wohl nie vergessen – auch wenn es schon über acht Jahre her ist. Doch Leon Sehrt und Levin Kanamüller unterscheiden sehr scharf, an was sie sich noch konkret erinnern und an was nicht. Doch an das Kerngeschehen erinnern sich, als ob es gestern gewesen wäre. Denn sie sind die wichtigsten Zeugen in diesem Mordprozess, in dem sich der 33-jährige Benjamin F. verantworten muss (wir berichteten).

Die beiden sind dann, gegen 22 Uhr, an der Philippsruher Allee unterwegs, als sie zwischen Ankergasse und Mittelstraße einen Schrei oder das Klirren einer fallenden Hantelstange bemerken. Auf der gegenüberliegenenden Straßenseite sehen sie plötzlich einen Mann, der eine offenbar bewusstlose Frau um die Ecke trägt, in die Mittelstraße.

Geistesgegenwärtig greifen die beiden Jugendlichen sofort ein, rennen zum Tatort. Ein bis dato unbekannter Mann flüchtet in Richtung Ortskern. „Wir haben ihn wohl gestört“, sagen Leon und Levin. Beide teilen sich auf, einer verfolgt die dunkle Gestalt, einer bleibt bei dem Opfer. „Es war extrem viel Blut. Es sah aus, als hätte die Frau in Blut geduscht“, sagt Leon. „Sie hat gelebt, aber sie war nicht ansprechbar“, sagt Levin, der zu seinem Handy greift, über 112 den Rettungsdienst alarmiert. „Ich habe noch versucht, andere Autofahrer um Hilfe zu bitten. Aber die Erwachsenen sind einfach weitergefahren.“ Also kümmern sich die beiden bis zum Eintreffen der Sanitäter um die 25-Jährige, die zu diesem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr schwebt.

Danach versuchen sie, der Polizei zu helfen, nennen den Ermittlern alle Details, die sie gehört oder gesehen haben. Es wird sehr spät in dieser Nacht. „Daheim hat es Ärger gegeben“, erinnert sich Leon noch sehr gut. Aber an diesem Freitag werden die beiden Helden von der Mittelstraße öffentlich belobigt. Staatsanwalt Markus Jung dankt beiden: „Andere sind weitergefahren, Sie haben eine unfassbare Zivilcourage gezeigt.“ Landgerichtspräsidentin Wetzel dankt ebenfalls und bezeichnet die „grandiose Leistung“ des Duos als „würdig, mit der Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet zu werden“.

Und dann ist da noch eine Frau im Saal, sie sitzt auf der Bank der Nebenklage. Sie kann es kaum erwarten, beiden von ganzem Herzen zu danken und hätte sie wohl am liebsten in die Arme geschlossen. „Du hast mir das Leben gerettet“, sagt sie erst Levin, dann Leon. An diesem Freitag steht zur Tat 25-jährige Rechtsreferendarin am Hanauer Landgericht, die an der Bienengasse ihre Wohnung hatte, im Mittelpunkt der Verhandlung.

Sie erinnert sich noch gut an den Abend des 15. September vor acht Jahren. „Ich war auf dem Heimweg und bin mit der Bahn in Hanau-West angekommen. Den Bus habe ich leider verpasst und bin daher zu Fuß in Richtung Kesselstadt gelaufen.“ Unterwegs hört sie über Kopfhörer Musik, zündet sich eine Zigarette an. „Ich habe an den Vortrag gedacht, den ich am anderen Tag bei Gericht hätte halten müssen.“

In Höhe des Olof-Palme-Hauses bemerkt sie plötzlich einen Mann, der eine Hantel in der Hand hält. „Er kam mir entgegen, ich fand ihn unheimlich“, berichtet das Opfer. Doch der Unbekannte läuft an ihr vorbei. Über die rechte Schulter wirft sie noch einen Blick, dann geht sie in Richtung Schloss weiter. An der Ecke zur Mittelstraße will sie noch eine Zigarette rauchen. „Dann hört meine Erinnerung auf. Erst in der Frankfurter Uniklinik bin ich wieder aufgewacht.“

Sie wurde hinterrücks niedergeschlagen. Von Benjamin F., der das Verbrechen gestanden hat und Reue zeigt: „Es tut mir unendlich leid, was ich Ihnen angetan habe“, meint er und entschuldigt sich. „Die Frage nach dem Warum kann ich selbst nicht beantworten. Ich würde es gerne rückgängig machen.“ Das Opfer nimmt es zur Kenntnis und sagt: „Mir ist es einfach nur wichtig, dass man Verantwortung übernimmt.“ (Von Thorsten Becker )