«Schön tief in die Hocke gehen, dann macht das noch mehr Spass!», ruft Trainer Jochen Bender seinen Schützlingen zu. Diese quälen sich mit Kniebeugen ab, dazwischen laufen sie zu ihren Matten und begeben sich schwitzend in den Unterarmstütz.
Auf die sechs Teilnehmer eines Bootcamps am Frankfurter Mainufer wartet noch ein anstrengendes Zirkeltraining . Dies, um kurz nach sieben Uhr morgens. Dazu schallt antreibende Musik aus einem Lautsprecher.
Das Training im Freien und in der Gruppe mache Spass, sagt eine Teilnehmerin. Die 57-Jährige ist schon seit drei Jahren bei dem Outdoor-Training dabei. Den Sport schon vor der Arbeit zu erledigen, findet sie praktisch.
Die Bootcamp-Angebote hätten mehr und mehr Zulauf, sagt Trainer Bender. Besonders nach den Corona-Lockdowns sei die Nachfrage gestiegen.
Die Pandemie habe einen bereits vorhandenen Trend hin zum Outdoor-Training befeuert, sagt der Frankfurter Sportpsychologe Chris Englert. Das zeigten grossangelegte Studien. Schon vor Corona hätten auch Fitnessstudios begonnen, draussen Kurse anzubieten. Die Lockdown-Erfahrungen hätten diese Entwicklung verstärkt.
Sehen und gesehen werden ist dabei ein wichtiger Faktor: «Wir zeigen gerne, was wir alles können», sagt der Experte. Es sei gesellschaftlich auch deutlich wichtiger geworden, gerade in Deutschland, den Körper mehr zu formen, als früher. Menschen wollten zusammen Sport treiben und Teil einer Gruppe sein. Das hebe die Stimmung, wie bei vielen Green Exercisers - Menschen, die draussen Sport treiben - zu beobachten sei.
Ein Haupt-Anziehungspunkt für Freiluftsportler in Frankfurt ist das Mainufer. Die Stadt hat den Bereich beiderseits des Flusses in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kräftig herausgeputzt.
An schönen Tagen ist stellenweise kaum ein Durchkommen. So viele Jogger, Rad- und E-Scooterfahrer, Power-Walker, Spaziergänger und Inline-Skater sind auf den Wegen unterwegs. Dazwischen watscheln Nil- und andere Wildgänse.
Auf den Wiesen drängeln sich Sonnenanbeter, Hundebesitzer und abends Partyvolk. Auch Anhänger des Slacklining ist beim Versuch zu beobachten, auf einem Gummiband zwischen zwei Bäumen zu balancieren. Junge Mütter treffen sich zum Stretching mit Kinderwagen, Anhänger des Yoga oder Tai Chi sind bei Entspannungsübungen zu beobachten.
Viel los ist auch auf dem Wasser. Wegen der grossen Beliebtheit führt der älteste unter den Frankfurter Rudervereinen, der 1865 gegründete FRV, eine Warteliste. «Die Anfänger-Ausbildungsangebote sind regelmässig überbucht», sagt Sprecher Daniel Pankatz.
Die Corona-Pandemie habe einen leichten Rückgang an Mitgliedern gebracht, doch das sei verkraftbar. Der Verein ist seit der Jahrtausendwende stark gewachsen, von 120 auf mehr als 300 Mitglieder.
Anfänger müssen einen Lehrgang absolvieren, neben der Technik, wie das Boot ins Wasser zu bringen ist, geht es um Sicherheit. Denn auf dem Main ist auch viel Berufsschifffahrt mit Touristen oder Gütern an Bord unterwegs. Auch Spass-Boote mit Junggesellen-Abschieden schippern am Ufer entlang, ebenso wie Wasser-Fahrräder, eine Art Trimm-Dich-Rad auf zwei aufblasbaren Kufen. Für Ruderer problematisch sind zudem Motorboote, die mit immer höherer Leistung über den Fluss rasten, sagt Pankatz.
Gegenseitige Rücksichtnahme ist auch im Fall der Stand-Up-Paddler (SUP) wichtig. Die Bretter, auf denen man stehend paddelt, verleiht Robin Kassel von Main-SUP an seiner Station beim Rudererdorf am südlichen Flussufer. Im Angebot befinden sich auch Yoga-Kurse auf dem Brett oder ganze Junggesellenabschiede und Teamevents für Firmen. Bei Hochbetrieb an schönen Wochenenden seien es bis zu 80 Leute, die auf ein SUP-Brett steigen wollen.
Ohne Anfängerkurs gibt Kassel allerdings keines heraus. Das liege auch am Schiffsverkehr: «In der Schifffahrtsrinne haben wir nichts zu suchen», lautet eine der wichtigsten Regeln. Teilnehmer lernen auch, wie sie sich unter Brücken verhalten und wo das Wasser tief und wo es flach ist. Und dass sie die Stege der benachbarten Rudervereine nicht benutzen dürfen.
Konflikte gibt es nicht nur auf dem Wasser. So hatte sich etwa eine Salsa-Gruppe zum gemeinschaftlichen Tanz in der Nähe der Europäischen Zentralbank (EZB) getroffen.
Da sich unmittelbar daneben eine Holocaust-Gedenkstätte befindet, zog die Stadt die Notbremse und verbot Musik und Tanz an dem Ort. Wo es attraktiv sei, gebe es Nutzungskonflikte, heisst es im Planungsdezernat. Die Stadt will den Uferbereich in den kommenden Jahren im Westen weiter ausdehnen.
Im Osten lockt der Hafenpark mit Sportplätzen für Fussball, Volleyball, Basketball und Badminton, Skate- und BMX-Anlage und Fitnessparcours. Auch hier sind immer wieder Bootcamps zu beobachten, bei denen die Teilnehmer Treppenstufen einer Mainbrücke auf allen Vieren erklimmen. Vor- und rückwärts, angefeuert von lauter Musik und ihrem Trainer.