Von Prof. Dr. Stephan Geisler | 17. Mai 2022, 15:59 Uhr
Ob dickerer Bizeps, breiter Rücken oder starke Oberschenkel: Viele Fitness-Sportler streben Muskelaufbau an, ohne genau zu verstehen, welche Formen von Hypertrophietraining es gibt. Fitnessprofessor Dr. Stephan Geisler erklärt, wie sie funktionieren und was man tun sollte, um sein Ziel zu erreichen.
Muskelhypertrophie ist der wissenschaftliche Begriff für die Zunahme an Muskelmasse durch einen effektiven Trainingsreiz. Wenn wir also die Langhantel im Fitnessstudio auf die richtige Art und Weise schwingen und über einen längeren Zeitraum genügend Kalorien und Proteine zu uns nehmen, kann dies zu einer Vergrößerung der Muskelquerschnittsfläche des trainierten Muskels führen. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen.
Wir wissen, dass die Vergrößerung des Muskelquerschnitts auf zwei bis drei Weisen erfolgen kann:
Die myofibrilläre Form ist die bekannteste Form des Muskelaufbaus, die auch das häufigste Ziel im Krafttraining darstellt. Hier vergrößert man den Muskelquerschnitt durch eine Neubildung von kleinsten kontraktilen Einheiten, den sogenannten „Myofibrillen“ innerhalb der Muskelzelle. Dabei wird der Muskel nicht nur größer, sondern auch stärker. Aus diesem Grund kann diese Form auch für Sportler relevant sein.
Die sarkoplasmatische Form beschreibt ebenfalls eine Vergrößerung des Muskelquerschnitts. Allerdings wird der Muskel nicht unbedingt stärker. Das Muskelwachstum erreicht man in erster Linie durch eine Einlagerung von Flüssigkeit in der Muskelzelle anstelle von funktionellen kontraktilen Einheiten. Diese Form lässt sich wahrscheinlich auch durch eine Anpassung des Trainingsplans erreichen.
Im Gegensatz zu den anderen Formen beschreibt die Hyperplasie die Bildung völlig neuer Muskelzellen, d. h. Muskelfasern, wodurch der Muskel dicker wird. Allerdings wurde diese Form bisher nur in Tierversuchen nachgewiesen. Aus diesem Grund schließen wir diese Form aus.
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Nicht nur sieht ein dickerer Muskel im Spiegel besser aus, sondern bringt er auch eine Reihe von Vorteilen mit sich, die sich von einer Verringerung des Typ-2-Diabetes-Risikos über einen Puffer für den altersbedingten Muskel- und Kraftabbau (d. h. Sarkopenie) und bis zu einer allgemeinen Leistungssteigerung (z. B. Kraft-, Schnellkraftsteigerung) in allen Bevölkerungsgruppen strecken können.
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Grundsätzlich kommt es natürlich auf die Zielsetzung an. Aktuell herrscht die Vermutung vor, dass die sarkoplasmatische Hypertrophie eher im Berreich von höheren Wiederholungszahlen mit niedrigeren Lasten stattfindet. Sprich: Hier muss ein leichtes Gewicht (z. B. bis zu 60 Prozent des 1-RM*) sehr oft bewegt werden.
Darüber hinaus wissen wir, dass Muskelhypertrophie allgemein in einem breiten Intensitätskorridor (z. B. 30 bis 90 Prozent des 1-RM) erreicht werden kann, solange das Training nahe genug am Muskelversagen durchgeführt wird.
*Hintergrund: Einerwiederholungsmaximum 1-RM = 1 Repetition Maximum = die maximale Last, mit der eine saubere Wiederholung ausgeführt werden kann
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Der Trainingsumfang, d. h. wie viele Sätze pro Muskelgruppe pro Woche absolviert werden sollten, hängt stark von dem jeweiligen Trainingszustand ab. Für Anfänger können allerdings schon vier Sätze pro Muskel pro Woche effektiv sein. Diese Anzahl von Sätzen sollte natürlich im Laufe der Trainingserfahrung gesteigert und auf mehrere Trainingstage die Woche verteilt werden. Studien legen nahe, dass man einen Muskel mindestens zweimal die Woche trainieren sollte. Zusammen mit der Trainingsfrequenz kann der Trainingsumfang durchaus in Richtung 20 Sätze pro Muskelgruppe auf zwei bis drei Trainingseinheiten die Woche gesteigert werden (Bodybuilder).
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Das hängt natürlich auch von der Zielsetzung ab. Muskeln kann man mit Maschinen, Kabelzügen, freien Gewichten und sogar mit dem eigenen Körpergewicht aufbauen. Wichtig ist nur, dass die beschriebenen Belastungsnormative (insbesondere Anzahl von Wiederholungen und Sätzen, Intensität und Trainungshäufigkeit) eingehalten werden und die Übungsabfolge von komplexeren, eher freien Mehrgelenksübungen (z. B. Freihantelkniebeuge) zu weniger komplexen Maschinen- oder Eingelenksübungen (z. B. Beinstrecker) übergehen. Dies liegt daran, dass ein ermüdeter Muskel bei komplexeren Übungen natürlich ein größeres Verletzungsrisiko darstellt.
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Ansonsten lassen sich kleine, aber feine Unterschiede in den Übungsvarianten und der Beteiligung der einzelnen Muskeln mit verschiedenen Untersuchungsinstrumenten tatsächlich feststellen. So weiß man beispielsweise, dass der Beinstrecker bestimmte Teile des Oberschenkelmuskels (Rectus femoris) stärker anspricht als es die Kniebeuge tut. Die Wahl der Übung ist also nicht uninteressant.
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