Krefeld: Justus und Max de Gruyter verlassen den Crefelder Ruder-Club​

2022-09-02 20:54:35 By : Ms. Polyster KLX

Interview Krefeld Der Ruderclub Crefeld muss nächste Saison ohne Justus und Max de Gruyter auskommen. Die Zwillinge gehen nach Kanada. Vor sie den Abflug machen, gewähren sie noch einige Einblicke in ihr Leben.

Der Ruderclub Crefeld 1883 muss ab September gleich auf zwei seiner ganz großen Talente verzichten. Justus und Max de Gruyter, die zweimaligen Deutschen Jahrgangs- und Vizemeister der U15 (2019) und U17 (2022) im Vierer- und Achter-Ruderboot werden das nächste Schuljahr in Kanada verbringen. Der Wechsel vom Gymnasium am Moltkeplatz nach Vancouver Island führt für die Zwillinge an zwei verschiedene Schulen. Spannung und Vorfreude halten sich bei den 15-Jährigen die Waage, zumal der Auslandsaufenthalt die Wege der Brüder erstmalig voneinander trennen wird. Vor ihrer Abreise haben wir ein Interview mit beiden geführt. Heraus kam ein leidenschaftlicher Werbeblock für einen coolen Sport, der dem Dreiklang Technik, Beißen, Überleben folgt, und in dem der Endspurt immer weh tut.

Ihr habt im Juni bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften auf dem Fühlinger See in Köln im Vierer der U17 den Titel gewonnen und seid am gleichen Tag auch noch Vizemeister im Achter geworden.

Der Crefelder Ruder-Club wurde 1883 gegründet. Vorsitzender ist Christoph Lüke. Bootshäuser befinden sich an der Bataverstraße und am Elfrather See.

Der CRC führt derzeit in Kooperation mit dem international agierenden Lions Club eine „Aktion Ukraine“ durch und sammelt Spenden.

Max Ja, das war bisher unser größter Erfolg.

Bei der Siegerehrung zum Achter zeigte sich auf dem Podest ein deutlicher Größenunterschied in eurem Team. Ihr seid jetzt 1,83 und 1,87 m. Spielt Länge im Rudersport eine Rolle?

Justus Tatsächlich hatten wir im Achter eine Spanne zwischen 1,70 und 1,95. Länge macht es schon mal einfacher, wenn man sie einsetzen kann. Man braucht aber auch Masse. Bei Länge ohne Gewicht fehlt die Kraft. Dass es Länge allein nicht macht, wurde bei der Zusammensetzung unseres Achters deutlich. Der Athlet mit der kleinsten Körpergröße ist richtig stark. Ein cooler Typ. Max Entscheidend beim Faktor Länge ist, dass Bein-, Arm- und Oberkörperlänge ein gutes Verhältnis haben. Um Strecke zu machen ist es entscheidend, wie weit man mit dem Rudersitz nach vorne rollen kann, und wie weit man seine Arme öffnen kann, um dann einen langen Zugweg mit den Ruderblättern durchs Wasser zu haben.

Rudern zählt zu den Sportarten, in denen auch das Gewicht der Athleten eine Rolle spielt. Ist das für Euch ein Thema?

Justus Auf jeden Fall. In frühem Alter geht das mit der Unterscheidung nach Leichtgewicht und Schwergewicht los.

Seid ihr in eurer Altersklasse Leicht- oder Schwergewicht?

Justus Es wird zwischen Sommergewicht und Wintergewicht unterschieden. Für die Wintersaison gilt ein schwereres Gewicht als im Sommer. Mit meinem jetzigen Gewicht würde ich im Winter als Leichtgewicht gelten. Aber da gerade Sommersaison ist, gelten Max und ich als schwer.

Und wieviel wiegt ihr gerade?

Max Ich wiege etwa 66 Kilo und Justus so um die 68. Wir waren jetzt die Leichtesten im Achter – abgesehen von der Steuerfrau.

Gleicht man über die Steuerleute auch schon einmal das vorgegebene Durchschnittgewicht der Mannschaft des Bootes aus?

Justus Das darf man nicht. Der Deutsche Ruderverband hat ein Gewicht festgelegt, das für Steuerleute bei 55 Kilo liegt. Das müssen sie minimal haben. Wenn die Steuerfrau nur 45 Kilo wiegt, dann muss sie 10 Kilo beipacken.

Und wie macht sie das?

Max Wir packen dann eine zehn Kilo Hantelscheibe ein.

Wird denn vor jedem Rennen gewogen?

Max Ja. Es wird nicht bei jeder Regatta so ganz genau genommen, aber bei einer deutschen Meisterschaft geht’s wirklich aufs Gramm. Beim Start heißt es dann: Crefeld bitte zusätzliches Gewicht zeigen. Und dann müssen wir nachweisen, dass wir das Gewicht dabeihaben.

Das Durchschnittsgewicht der Ruderer in eurem Achter liegt bei 75 Kilo. Da liegt ihr drunter. Seid ihr dann angehalten zuzunehmen?

Justus Ein Trainer wollte tatsächlich gerne, dass wir vor der Meisterschaft für das Rennen im Achter etwas zunehmen. Da wir beide leicht gebaut sind, wäre das ja auch grundsätzlich kein Problem, wenn wir zwei Kilo mehr wiegen würden. Bei uns wäre Abnehmen immer eher kritisch. Zumal wir im Wachstum sind. Gewichtsverlust würde bei uns immer mit Energieverlust einhergehen.

Max Nein, wir haben auch ohne Gewichtszunahme die Leistung gebracht. Beim Achter geht es ja um viel Masse. Schon das Boot wiegt fast 100 Kilo und dann noch die Mannschaft mit einem Durchschnittsgewicht von 75 Kilo. Dieses komplette Gewicht muss man halt am Start anschieben. Die ersten fünf Schläge sind die Grundlage für das Rennen. Da ballert man den Riemen nach hinten ins Wasser. Wenn man dann selber mehr Masse hat, die man bei jedem Schlag nach hinten werfen kann, bekommt man das Boot natürlich schneller angeschoben. Justus Daher gilt im Rudern der Spruch: Masse ist Macht.

Zur Fitness gehört das Essen. Gibt  es für euch einen Ernährungsplan?

Max Viel und reichlich (lacht). Wir ernähren uns ausgewogen. Am Abend vor einem Rennen essen wir meist eine ordentliche Portion Nudeln Bolognese, damit alle Muskeln mit Energie gefüllt sind.

Wie häufig müsst ihr trainieren?

Max Wir hatten in der Hauptsaison sieben Trainingseinheiten in der Woche. Jeden Tag war Training außer montags, da war frei. Samstags waren zwei Trainingseinheiten. Wenn wir auf dem Wasser trainieren, dauert die Einheit etwa zweieinhalb Stunden inklusive der Versorgung des Bootes; außerhalb des Wassers eineinhalb.

Wie passen Schule und Freunde in diesen Trainingsplan?

Max In der Vorbereitungszeit zur Meisterschaft ist das mit der Schule tatsächlich ein Problem. Ein Punkt, den ich im System Leistungssport auch am meisten kritisieren würde. Wenn es auf die Meisterschaften zugeht interessieren sich die wenigsten Leistungstrainer dafür, wie es den Athleten in der Schule geht. Und unser Freundeskreis findet sich hauptsächlich unter den Ruderern.

Wird auch im Winter gerudert?

Justus Wegen der frühen Dunkelheit nur vormittags; also am Wochenende. Der Winter dient hauptsächlich dem Kraftaufbau. Max und ich beherrschen die Grundlagen, und wir probieren in der Winterzeit, unsere Technik an den Rudergeräten so gut es geht zu verbessern und schneller zu werden. Max Im Winter müssen wir auf den Ruderergometern Wettbewerbe fahren (Ergocups). Zudem werden Langstreckentests gemacht und Daten  von den Leistungssportlern gesammelt. Mit Hilfe der Vereinstrainer können sich die Landestrainer dann zum Beispiel am Ende des Winters ein Bild davon machen, wie es um die Sportler in NRW bestellt ist. Aus diesem Pool treffen sie dann die Auswahl, wer mal miteinander rudern könnte; wie bei uns zuletzt mit der Rudergemeinschaft Düsseldorf. Hintrainiert wird dann auf die Jahrgangsmeisterschaften, dem Saisonhöhepunkt am Ende der Sommersaison.

Bei der diesjährigen Jahrgangsmeisterschaft seid ihr im Vierer und Achter angetreten. Rudert ihr auch andere Boote?

Max Wir rudern in allen Bootsklassen. Auch im Einer, aber da sind wir nicht so gut. Rudern ist Technik, und für den Einer, sagt man, braucht man für nationales Niveau sechs Jahre Training. Justus Die härteste Bootsklasse ist der Achter; zumindest bei den Jungen. Da ist der Testosteron-Spiegel im Boot enorm und die Konkurrenz beim Rennen riesig. Jeder möchte den anderen fertig machen. Aber nicht böse (lacht). Danach klatschen wir uns gegenseitig ab.

Max, du hast während der Trainingssaison ein Foto von den Ruderblasen in deinen Handflächen gemacht. Zu dem Zeitpunkt konntest du nach deiner Aussage noch nicht einmal die Bettdecke über den Kopf ziehen. Gehört zu diesem Sport ganz viel freiwilliger Schmerz?

Max Neben Disziplin braucht es die Begeisterung. Wir gehen ja an unsere maximale Leistungsgrenze; danach kann der Körper nicht mehr. Beim Rudern teilt man die Strecke in drei Rennabschnitte: Technik, beißen, überleben. Der Endspurt auf den letzten 250 Metern tut immer einfach nur weh. Bei den Ergocups sind bei den meisten von uns auch schon mal hundert Meter vor dem Ziel die Lampen ausgegangen. Man sieht das schon, wenn das Augenflackern kommt. Aber das können wir und die Trainer einschätzen. Für Außenstehende wirkt das schon mal erschreckend. Mein Vater hat mal einem Geschäftspartner ein Video von unserem Training gezeigt. Der hat danach gefragt, ob wir auch geschlagen werden (Max und Justus lachen). Also wir kennen das, und wir rudern alle freiwillig, weil es uns wahnsinnig Spaß macht.

Ihr seid mit zehn Jahren zum Rudern gekommen, weil eure Mutter in der Zeitung eine Einladung des Ruderclubs zu einem kostenlosen Training gesehen hat. Inzwischen gehört ihr zu den Aushängeschildern des Clubs. Was sagt euer Trainer zu eurem einjährigen Wechsel nach Kanada?

Max Er hat uns gerade noch nach dem Training im Zweier gesagt, dass es ihm weh tut, einen so guten Riemenzweier zu sehen, von dem er weiß, dass er in dieser Konstellation in der nächsten Saison keine Perspektive hat. Wir sind jetzt erstmal weg, und das ist ein Verlust.

Wie steht es um Nachwuchs?

Justus Rudern ist eine Randsportart und am Tag der offenen Tür kamen in fünf Stunden nur sechs Leute. Wir können jedem eigentlich nur raten: guckt da mal vorbei. Rudern ist ein cooler Sport und da sind echt nette Leute.

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