Vor dem Bezirksgericht Frauenfeld muss sich ein junger Mann wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung verantworten. Abgesehen davon hat er innert dreieinhalb Jahren 70 weitere Delikte begangen. Unter anderem Diebstahl, um seine Drogensucht zu finanzieren.
In Handschellen und Fussfesseln wird der Beschuldigte von zwei Polizisten ins Bezirksgericht Frauenfeld geführt, korpulent ist er. Seit rund einem Jahr sitzt der 27-Jährige bereits im vorzeitigen Vollzug im Kantonalgefängnis Frauenfeld.
Er hat einiges auf dem Kerbholz: versuchte schwere Körperverletzung, gewerbsmässiger Diebstahl, versuchte Nötigung, mehrfacher Hausfriedensbruch und mehrfache Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz – um nur einige der Vergehen zu nennen. Innert dreieinhalb Jahren soll der Beschuldigte über 70 Delikte begangen und dabei über 40 Personen geschädigt haben.
Wie es ihm im Gefängnis gehe, möchte der vorsitzende Richter wissen. «Im Grossen und Ganzen ganz gut», antwortet der Beschuldigte. Das Personal sei «lieb», nur Beschäftigung habe er relativ wenig. «Ich habe in einem Jahr 30 Kilo zugenommen.» Abends in der Zelle versuche er sich jeweils durchzuringen, einige Liegestütze und Rumpfbeugen zu machen.
Ob er Zukunftspläne habe, fragt der Richter weiter. Das «Ja» kommt wie aus der Pistole geschossen. Er wolle unbedingt eine Familie gründen, arbeiten, ein ganz normales Leben führen. «Nichts lieber als das», fügt er leise hinzu.
In der Silvesternacht 2017 hat der damals 23-Jährige einem Türsteher der Peggy's Bar in Frauenfeld von hinten mit einer Hantelstange auf den Kopf geschlagen. Was war geschehen? Er sei mit drei Freunden und guten Absichten – «Frauen kennen lernen und Spass haben» – in die Bar gegangen. Zuvor hatten sie bereits bei ihm in der Wohnung Alkohol getrunken. Im Verlauf des Abends habe er an der Bar ein weiteres Bier bestellen wollen und lange warten müssen.
Die Folge: Er musste die Bar verlassen. Seine Jacke sei derweil drinnen geblieben. Die habe er unbedingt wieder haben wollen. Also habe er den Türsteher danach gefragt. Dieser sei zweimal in die Bar, um nach ihr zu suchen. Erfolglos. «Ich habe dann gefragt, ob ich selber nachschauen dürfe», sagt der Beschuldigte. Vom Türsteher sei keine Reaktion gekommen, also sei er rein.
Als der Türsteher das bemerkt habe, habe er ihn gepackt, zu Boden gedrückt und ihm Pfefferspray in die Augen gesprüht. Unter Tränen – «wegen des Pfeffersprays» – habe er vor allen Leuten die Bar verlassen müssen. «Das war mega beschämend.» Er sei dann nach Hause und habe dort weiter getrunken, wütend sei er gewesen.
Gemäss Anklageschrift ist er mit einer 35 Zentimeter langen und gut 1,2 Kilogramm schweren Hantelstange zurückgekehrt. Von hinten hat er sich an den Türsteher angeschlichen und ihm «mit voller Wucht gezielt auf den Hinterkopf» geschlagen. Der Türsteher kippte vornüber und ging zu Boden.
Er habe fast nicht glauben können, dass er das wirklich gemacht haben soll, sagt der Beschuldigte. «Ich war nie ein Mensch mit ausgeprägtem Rachesinn.» Aber er müsse es ja gewesen sein, immerhin sei seine DNA an der Hantelstange gefunden worden. Es tue ihm leid, was passiert sei.
Während die Staatsanwältin für die versuchte schwere Körperverletzung eine Haftstrafe von 16 Monaten fordert, plädiert die Verteidigerin auf qualifizierte einfache Körperverletzung. Der Türsteher habe eine vier Zentimeter lange Rissquetschung, aber keine Hirnerschütterung erlitten und sei nur einen Tag krankgeschrieben worden.
Bei den weiteren angeklagten Delikten handelt es sich in erster Linie um Diebstähle, die der Angeklagte gemeinsam mit seiner damaligen Freundin begangen hat. Die beiden sind mehrmals in Keller und Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern eingedrungen und haben dort Kellerabteile sowie unverschlossene Autos nach Wertsachen durchsucht. Dies taten sie, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Beide rauchten zu dieser Zeit Heroin.
Das Gericht folgt teilweise dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilt den Beschuldigten wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer unbedingten Haftstrafe von zwölf Monaten. Zur Begründung sagt der Richter:
Hinzu kommen 34 Monate für die weiteren Delikte. Die Haftstrafe wird zu Gunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Dort sollen die Schizophrenie und die Sucht des Beschuldigten behandelt werden. «Wir wünschen Ihnen alles Gute», sagt der Richter zum Schluss.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig