Guido Bellbergs Bulli: VW Bus T4 zu verkaufen - WELT

2022-07-01 21:06:55 By : Mr. yuanfei zhou

W ie wahrscheinlich viele meiner Leser auch, bin ich supergut darin, Autos (und andere tolle Gegenstände) zu kaufen, aber weniger gut darin, sie auch wieder zu verkaufen. Nicht, weil ich irgendeine seltsame Sammelleidenschaft hätte, sondern schlichtweg, weil ich zu ehrlich bin. Außerdem quassele ich zu viel, eine Kombination, die die Leute misstrauisch macht.

In den letzten zwei Wochen versuchte ich, meinen alten VW Bus zu verkaufen, einen absolut ehrlichen T4 Facelift mit keinerlei sichtbarem Rost, unter anderem, weil ich den Wagen nur im Sommer benutzt hatte.

Nun sollte man meinen, dass einem – besonders an der Küste, wo jedes zweite Auto (nein, ich übertreibe nicht) ein VW Bus ist – dieser Wagen geradezu aus den Händen gerissen würde. Preislich human, in ordentlichem Zustand, perfekt ausgerüstet, um sofort auf einen Surftrip in Skandinavien zu gehen.

Und in der Tat war die Nachfrage erstaunlich hoch: Fast täglich bekam ich E-Mails oder Anrufe von total netten jungen Menschen, die alle voll interessiert an dem „Bulli“ (wie ich dieses infantile Wort hasse) waren. Na, das dürfte schnell gehen, dachte ich, aber Pustekuchen, ich hatte nicht mit der berühmten Entscheidungsschwäche, anerzogenen Hilflosigkeit und Infantilität der Millennials gerechnet.

Am Anfang, noch voll motiviert, traf ich mich mit verschiedenen Pärchen an verschiedenen Tagen, um alle Fragen zu dem Bus geduldig zu beantworten. Der erste Interessent stellte sich am Telefon als Wellenreiter vor und vor Ort als Lehrer heraus. Das macht Sinn, im welchem Beruf kann man sonst drei Monate im Jahr durch die Welt tingeln?

Ich fuhr den Bus aus der Garage, damit seine ganze Pracht in der Sonne zu bewundern war. Aber der Lehrer winkte gleich müde ab. Für alles über 5000 Euro erwarte er einen perfekten Lack bei einem VW Bus. Verstehe. Immerhin verschwendete der eigentlich nette Mensch auf diese Art nicht allzu sehr meine Zeit, bevor er wieder in sein automobiles Traumland verschwand.

Das zweite Pärchen war sogar nett, sodass ich mir fast zwei Stunden Zeit nahm und geduldig jede Schraube an dem Bus erklärte. Wirklich jede. Sie kletterten um, im und unter dem Bus herum, verzweifelt auf der Suche nach dem Rost, von dem sie im allwissenden Internet gelesen hatten. Als sie keinen finden konnten, wurden sie misstrauisch. Sie fragten mich, ob ich bereit wäre, mit ihnen zu einem „Vertrauenscheck“ beim TÜV zu fahren.

Nun hatte das Auto zwar noch gute sechs Monate TÜV, aber warum nicht, dachte ich, nur eben ohne zu denken, denn ich wohne nicht gerade in der Nähe dieser bewundernswerten Prüfanstalt, und mit An- und Abfahrt würde ich fast einen halben Arbeitstag verlieren. Nach zwei oder drei weiteren Telefonaten am nächsten und übernächsten Tag sagte das nette Pärchen Gott sei Dank ab, sodass mir diese Tour erspart blieb.

Total nicht erspart blieben mir aber weitere Fragen von total netten und total motivierten Millennium-Pärchen, die total interessiert an meinem Bus waren und alle total nett nach einer total gemeinsamen Fahrt zum TÜV fragten. Von wegen Vertrauen und so.

Witzigerweise wollte kein einziger Millennial selbst einfach mal eben eine Probefahrt machen. Niemand. Alle standen nur um das geparkte Auto herum, machten sich Sorgen und schwafelten von gemeinsamen Fahrten zum TÜV. Da muss irgendeine Anleitung zum Thema Autokauf bei „Bento“, „Huffington Post“ oder „Vice“ gestanden haben, vermute ich.

Mittlerweile schlauer, rechnete ich mir kurz durch, was mich fünf Fahrten zu geselligen Vertrauensschecks an Arbeitszeit und damit Geld kosten würden. Leider war jedoch kein einziges der süßen Pärchen bereit, mir meinen üblichen Stundensatz zu bezahlen, sodass wieder keine Verkäufe zustande kamen.

Aber viele Millennials waren enttäuscht. Nicht von sich selbst natürlich, sondern von dem hartherzigen Typen mit dem süßen Bus, also mir.

Ich wollte schon aufgeben, da rief mich ein Mann in meinem Alter aus einer zwei Stunden entfernten Stadt an und stellte mir ein paar Fragen zu dem Bus, die ich ihm gerne beantwortete. Ich erzählte ihm von meinen bisherigen Millennial-Erlebnissen, und wir lachten beide herzlich. Da ich die mit großen Augen vorgetragene Frage „Meinst du denn, der bekommt auch noch einmal TÜV und so?“ einfach nicht mehr hören konnte, hatte ich mittlerweile das Auto meiner Werkstatt zum TÜVen überlassen.

Ich empfahl dem netten Mann, mich eine Woche später noch einmal anzurufen, da ich fest davon ausging, dass der Bus ohne Probleme TÜV bekommen würde. So war es dann auch. Ich änderte noch schnell meine Annonce und wies auf den frischen TÜV hin, was aber leider dazu führte, dass neue, ängstliche Interessenten anriefen.

Also tat ich, was ein Mann in meiner Situation tun muss und ließ den Anrufbeantworter für mich arbeiten. Natürlich rief ich niemanden zurück, denn ich konnte unmöglich noch einmal einen Arbeitstag an ahnungslose und zutiefst unentschlossene Bus-Fans verschwenden, die 2500 Euro ausgeben, dafür aber einen 70.000-Euro-Neuwagen bekommen wollten und die ansonsten voll „social“ drauf waren und über schier endlose Lebenszeit zu verfügen schienen.

Wie es weiterging, ist wenig überraschend, der nette Mann kam vorbei (mit seiner genauso netten Frau), fuhr eine Runde mit dem Bus, stellte mir ein paar Fragen, sah sich meine Unterlagen zu dem Fahrzeug an, bekam einen Kaffee, legte das Geld auf den Tisch und fuhr zufrieden davon.

Ich löschte meine Anzeige, führte noch ein paar herzzerreißende E-Mail- und Telefon-Konversationen mit bitterlich enttäuschten jungen Menschen, die ganz fest damit gerechnet hatten, den Bus zu bekommen, obwohl sie nicht in der Lage waren, zeitnah ihren Hintern zu mir zu bewegen und, falls wider Erwarten doch geschehen, einfach ein Auto zu kaufen, das ihnen gefiel.

Lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Millennials auf Bus-Suche, euch ist nicht etwa ein prima Bus durch die Lappen gegangen oder vor der Nase weggekauft worden, sondern ihr wart zu unentschlossen, langsam und misstrauisch, um euch das Auto zu kaufen.

Daran ist nur einer schuld, und zwar ihr selbst. Nicht euer Freund, der zwar total viel Ahnung von Autos, aber gerade keine Zeit hat, nicht der Verkäufer, nicht Volkswagen, nicht das Internet, nicht Mami, nicht Papi, nicht euer Bruder, nicht der TÜV-Prüfer und sogar nicht die allerbeste Freundin, die euch eigentlich zu mir fahren wollte, was dann aber trotz 26 gegenseitigen WhatsApp-Nachrichten irgendwie nicht geklappt hat. Vielleicht, weil sie bei einem Body-Selfie mit ihrer Oversized Ray-Ban an ihrem Spind hängen geblieben und anschließend einsam in der Umkleide ihres Gyms verhungert ist, wer weiß das schon.

Es ist auch keineswegs total blöd oder gar unsozial, wenn ich nicht zwei Wochen warte, bis ihr euch noch zehn weitere Busse angeschaut habt oder ich schlichtweg keine Lust habe, ständig mit euch zu irgendwelchen Prüfstellen zu fahren, von denen ihr hofft, dass sie euch die scheinbar unendlich schwere Entscheidung, ein Auto zu kaufen, abnehmen. Ein bezahlter Papi-Ersatz, von dem ihr erwartet, dass er sich für 90 Euro jedes Detail an eurem potenziellen Bus ansieht. Ach ja, und viel Spaß in Schweden noch. Geht sicher auch ohne Bus ganz gut.

Nach Firmenangaben ist der neue Audi S8 plus ist die leistungsstärkste Sportlimousine. Mit 605 PS und einer Spitzengeschwindigkeit von über 300 km/h ist er schneller als die meisten Sportwagen.

Die WELT als ePaper: Die vollständige Ausgabe steht Ihnen bereits am Vorabend zur Verfügung – so sind Sie immer hochaktuell informiert. Weitere Informationen: http://epaper.welt.de

Der Kurz-Link dieses Artikels lautet: https://www.welt.de/177883582